Transkript von Logbuch Netzpolitik #232: Der böse Kleber aus Deutschland

Das ist eine Mitschrift von Logbuch Netzpolitik #232: Der böse Kleber aus Deutschland.

Intro

Tim Pritlove

Guten Morgen Thomas

Thomas Lohninger

Guten Morgen Tim

Prolog

Tim Pritlove

Logbuch Netzpolitik Nummer 232 und ihr werdet es schon ahnen:

Heute ohne Linus, denn wir haben beschlossen ein kleines Spezial einzuschieben aufgrund der Terminlage

mache ich das jetzt alleine bzw alleine mache ich es natürlich nicht.

Sondern ich begrüße Thomas Lohninger.

Hallo Thomas

Thomas Lohninger

Hallo

Tim Pritlove

Genau

Du bist ja wie hier wahrscheinlich sowieso alle wissen nicht nur aus Österreich sondern jetzt auch in Österreich und immer in Sachen Österreich unser Primärkorrespondent.

Und da auch in deinem zweiten

Haupthobby Netzneutralität noch einiges passiert ist dachte ich

kloppen wir daraus einfach mal

eine Sendung zusammen bevor ich dann mit Linus da noch relativ bald

wohl die nächste Sendung auch noch mal nachlegen werde aber Linus konnte heute nicht und du kannst morgen nicht und deswegen ist das jetzt so wie es ist.

Stimmts?

Thomas Lohninger

Ja so ist es

Wahl in Österreich

Tim Pritlove

Und, bist du noch guter Laune?

Thomas Lohninger

Ja - also inzwischen wieder.

Ich bin da schon durch die Phasen der Trauer durchgewandert

und inzwischen finde ich sehr spannend was in Österreich gerade

los ist - wir haben ja gewählt.

Am letzten Sonntag am 5 Oktober hat Österreich an neuen Nationalrat gewählt.

Diese Wahl war ein ziemlicher Erdrutsch.

Und wir sind heute am Donnerstag wo wir aufzeichnen

Es gibt noch kein amtliches Endergebnis aber

es ist eigentlich schon alles klar was man wissen muss

und das Ergebnis ist auf jeden Fall

sagen wir mal diskussionswürdig.

Tim Pritlove

Ist in das eigentlich normal dass es bis zum Endergebnis so lange dauert?

In Deutschland ist das in der Regel schneller - das vorläufige amtliche Endergebnis zumindest, oder wovon sprechen wir jetzt?

Thomas Lohninger

Das Vorläufige ist schon da.

Aber du weißt schon - Wahlen in Österreich, da gibt's hin und wieder Komplikationen.

Tim Pritlove

Stimmt, die Aufkleber und so - alles mögliche kann da schiefgehen.

Thomas Lohninger

Der böse Kleber aus Deutschland.

Der Hintergrund ist, daß jetzt noch Wahlkarten sozusagen in das richtige das richtige Magistrat gebracht werden müssen um dort final ausgezählt zu werden.

Wir reden noch von ca. 37000 Wahlkarten, die jetzt noch nicht ausgezählt sind.

Und es gibt noch sozusagen eine Schwankungsbreite von 0,2%.

Es ist aber so gut wie ausgeschlossen, daß ich an diesem Wahlergebnis noch etwas hindert

Die Wahrscheinlichkeit ist es jetzt so hoch, daß sich noch mal was ändert, wie damals bei der Präsidentschaftswahl, daß da irgendwelche gefälschten Wahlkarten zu einem Gewinn von Norbert Hofer geführt hätten.

Wir haben ein Ergebnis und das sieht so aus, daß die neue Volkspartei diese Wahl klar gewonnen hat.

Die sind hier - jetzt habe ich gerade das Ergebnis nicht vor mir -

Tim Pritlove

Die neue Volkspartei?

Thomas Lohninger

Ja, die haben sich umbenannt.

Die Parteifarbe ist jetzt auch nicht mehr schwarz sondern türkis.

"Neue Volkspartei" ist auch nur ein Teil des Namens, der anderen Name ist "die Liste Sebastian Kurz".

Sebastian Kurz haben wir hier ein Podcast schon mal diskutiert.

Das ist sozusagen der neue Chef der ÖVP und auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unser neuer Bundeskanzler, und 31 Jahre alt.

Tim Pritlove

Und bisheriger Außenminister muss man dazu sagen

Thomas Lohninger

Und davor war er Staatssekretär für Integration und er ist so der "Rising Star" der österreichischen Politiklandschaft.

Am Anfang wurde er etwas ausgelacht wegen seinem Alter und seiner Ohren, inzwischen lacht glaube ich niemand mehr über ihn.

Sebastian Kurz war auch ein starkes Wahlmotiv für viele Leute.

Der hat einen sehr starken negativ 3 die Konservativen in Österreich, den es seit vier Jahren gab, gestoppt und jetzt sind sie wieder als erster durchs Ziel gelaufen.

Tim Pritlove

Immerhin siebeneinhalb Prozent mehr.

Thomas Lohninger

Die SPÖ hat es noch auf Platz zwei geschafft mit - ich muss das jetzt alles aus dem Kopf rezipieren -

Tim Pritlove

26,8%, ich habe den hier das vorläufige Endergebnis

Thomas Lohninger

Das ist mehr als man dachte.

Die SPÖ war in diesem Wahlkampf sehr stark geplagt von Leaks ihrer internen E-Mails und von einem Skandal um dirty campaigning.

Das Ganze hatte in gewisser Weise Parallelen zur US-Wahl, das da eben auch E-Mails nach außen getragen wurden.

Diesmal nicht irgendeinen russischen Heck sondern durch eine Mitarbeiterin, die das Ganze dann mitgenommen hat und an Medien oder eben an andere Unbekannte, die das dann an Medien geleakt haben.

Und das war auf jeden Fall sehr turbulenter Wahlkampf - wo es eben auch Debatten gab um Facebookgruppen, die den Sebastian Kurz negativ dargestellt haben, aber auch welche die ihn positiv dargestellt haben.

Teilweise dann eben sogar mit antisemitischen Witzen und derartigen Dingen.

Das war die Erde rund um Tal Silberstein in und Politikberater aus Israel, der dem Vernehmen nach für die für die SPÖ gearbeitet hat.

Ich rechne mal, daß wir dazu einen Untersuchungsausschuss haben werden in der nächsten Legislaturperiode der sich diesen Skandal in der Nähe anschaut.

Aber ja, die SPÖ hat es trotzdem noch auf Platz 2 geschafft, und dahinter ist die FPÖ, die 26% bekommen hat.

Die wahrscheinlichste Koalition wird auch zwischen konservativen und der FPÖ sein, der rechtspopulistischen rechtsextremen Partei in Österreich.

Das ist aber noch nicht alles im Ergebnis:

Wir haben die Neos - unsere FDP. Die Liberalen haben den Einzug geschafft.

Die Liste Pilz hat ebenfalls den Einzug geschafft.

Das ist eine Abspaltung der Grünen Partei oder von einem ehemaligen Gründungsmitglied der Grünen, der 30 Jahre für die Grünen im Parlament war dann nicht den Listenplatz bekam den er wollte - also statt 4 Platz 6 - und das hat ihn so aufgeregt (und wahrscheinlich ein paar andere Dinge), daß er dann eben eine neue Partei gegründet hat und die haben den Einzug geschafft.

Die klassischen Grünen in Österreich sind nach 30 Jahren aus dem Parlament geflogen.

Tim Pritlove

Dieser Pilz ist dieser Peter Pilz?

Die sind jetzt laut dem vorläufigen Endergebnis bei 4,37% gelandet.

Wo ist da die Grenze?

Thomas Lohninger

Wir haben eine Vierprozenthürde.

Tim Pritlove

Ah ja

Thomas Lohninger

Weswegen die Grünen auch mit 3,8 nicht mehr schaffen werden, auch wenn es noch eine Schwankungsbreite von 0,2% gibt.

Es ist wie gesagt statistisch so gut wie ausgeschlossen, daß da jetzt noch der Einzug geschafft wird.

Und die ca. 120 Mitarbeiter der grüne Bundespartei wurden auch schon beim Arbeitsmarktservice angemeldet.

Hier ist man schon am Rückzug und am abwickeln dieser Bundespartei, die auch nach den letzten Wahlkämpfen, die auch so lange gedauert haben, noch auf einem Riesenberg Schulden steckt.

Da ist schon viel Struktur verlorengegangen.

Die Grünen waren definitiv einer der konstruktivsten Kräfte im österreichischen Parlamentarismus.

Und haben es aber aufgrund einer Verkettung von wirklich für sie sehr negativen Ereignissen nicht geschafft jetzt groß zu mobilisieren.

Sie haben auch irgendwie noch mal grob 190.000 Wähler an die SPÖ verloren.

Auch wenn man Peter Pilz und die Grünen zusammenzählt in den Wählerstimmen hätten sie trotzdem herbe Verluste eingefahren im Vergleich zur letzten Nationalratswahl 2013.

Da ist wirklich vieles schief gelaufen und dann stellt sich da die große Sinnfrage wie es mit den weitergeht.

Das dominiert auch gerade die innenpolitische Debatte in Österreich.

In Deutschland gab es schon mal sowas, daß die Grünen rausgeflogen sind - in Österreich ist das neu.

Das alles eben vor dem Hintergrund dass wir jetzt sehr wahrscheinlich eine türkisblaue Regierung haben werden.

Auch das hatten wir schon mal - 2000 - damals gabs EU-Sanktionen gegen Österreich.

Mit denen ist dieses Mal nicht mehr zu rechnen, weil daß Rechtspopulisten in in Europa die Regierung stellen, daran hat man sich gewöhnt.

Es wird richtig spannend wie das weitergehen wird.

Weil es auch anzunehmen ist, daß man hier in vielen Dingen versucht, Österreich neu zu bauen.

Sowas wie das Sozialsystem in Österreich, die Pflichtmitgliedschaft in den Sozialpartnerschaften, die in Österreich die Basis für viele arbeitsrechtliche Absicherungen für Mindestlöhne und so weiter sind, die soll aufgehoben werden.

Das wär ein sehr drastischer Einschnitt.

Es gibt doch Debatten um eine Neuausrichtung von Österreich - nicht mehr Richtung Westen sondern Richtung Osten, Richtung Visegrádstaaten.

Die Migrationspolitik die Österreich fahrt ist ja schon sehr ähnlich der von Ungarn.

Es gab skurrile Momente in diesem Wahlkampf, wo sich irgendwie Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, der Chef der Rechtspopulisten, darum gebattelt haben im Livefernsehduell, wer jetzt Viktor Orban besser kennt.

Tim Pritlove

Also, daß jetzt die ÖVP, oder wie nennt sich jetzt -

Thomas Lohninger

Neue Volkspartei, du kannst sie ÖVP nennen - das tun die meisten Leute.

Tim Pritlove

Okay

In der Wikipedia sind ja auch noch schwarz, also das mit dem türkischen sie noch nicht so rum gesprochen zu haben

Daß die jetzt mit der FPÖ zusammengehen wollen - war das von vornerein erklärtes Ziel

Oder war das sozusagen nur jetzt klar, weil die SPÖ gesagt hat, sie will nicht mehr?

Oder wollen die - also wer will die alte Koalition nicht fortsetzen? Beide nicht?

Thomas Lohninger

Ich glaube niemand in Österreich will weiterhin eine eine große Koalition von schwarz und rot .

Das hatte Österreich über die längste Zeit, und es hat nur zu ewigem Stillstand geführt.

Deswegen gibt's da sozusagen auch starken Wunsch nach Veränderung.

Das heißt die klassische große Koalition die ja heute gar nicht mehr so groß wäre ist bei vielen Leuten das, was man sozusagen jetzt lang genug probiert hat, und das kann es nicht mehr sein.

Und dann bleibt heute rechnerisch nur noch eine Koalition mit der FPÖ.

Da gibt's jetzt auch eine riesige Debatte darum, vor allem eben bei den Sozialdemokraten.

Eigentlich gab es in in Österreich immer die sogenannte Vranitzky-Doktrin, das heißt keine Koalition der Sozialdemokraten mit den Rechtsextremen.

Da wollte man sich immer davon abgrenzen, ähnlich wie die Union früher gesagt hat: Rechts von uns darf es nichts geben, oder wir würden zum Beispiel nicht mit jedem koalieren.

Und die bricht jetzt an vielen Stellen.

Es gibt schon Landesregierungen wo - Burgendland in dem Fall - die SPÖ mit der FPÖ in Koalition ist.

Gerade aus diesen Teilen Österreichs kommt dann eben auch der starke Wunsch, sich jetzt andere strategische Optionen aufzumachen und auch mit der FPÖ Bundesebene zu koalieren.

Da hält im Moment noch Wien dagegen als größtes Bundesland, was auch diesen Abrutsch der SPÖ, der ansonsten passiert wäre, aufgehalten hat.

Und da gibt's den Bürgermeister Michael Häupl, der immer noch eine ganz starke Ablehnung dieser Position hat, und im Moment taktiert man halt.

Im Moment will man natürlich auch nicht diese Strategie komplett zumachen.

Das hat aber auch den fahlen Beigeschmack, daß die SPÖ jetzt nicht eine klare Oppositionsansage macht, wie es hier in Deutschland passiert ist - und wie ich auch finde, daß es klarer wäre.

Weil da jetzt weiter herum zu diskutieren, das ist das große Problem der Sozialdemokraten.

Sie schaffen es nicht, ihre Flügelkämpfe aufzulösen - egal ob das das Sicherheitsthema ist, das überwachungsthema, die Migrations- oder Ausländerfrage in Österreich.

Bei all diesen Themen versucht man irgendwie so einen Eiertanz zu machen und beide Flügel zufriedenzustellen - und am Ende keine klare Position zu beziehen.

Und das ist glaube ich immer Gift, wenn man sozusagen Politik macht ohne Meinung zu haben oder Positionen zu vertreten.

Aber genau das passiert jetzt gerade hier und sobald das amtliche Endergebnis da es, gibt es einen Auftrag zur Regierungsbildung, den der Bundespräsident Sebastian Kurz aussprechen wird, und dann wird verhandelt.

Theoretisch sind drei Optionen denkbar eben

Tim Pritlove

Die großen jeweils zwei, aber das SPÖ und FPÖ hier zusammen gehen kann man doch wohl eher ausschließen oder?

Thomas Lohninger

Zumindest nicht unter dem derzeitigen noch-Bundeskanzler/Parteivorsitzenden Sebastian Kern der würde das glaube ich nicht machen.

Es gäbe da irgendwie so Leute, die ihn vom Thron stürzen wollen - Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland.

Aber ob die das schaffen würden, vor allem dann auch durch die Parteigremien, sich so eine Koalition absegnen zu lassen, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Tim Pritlove

Zumal er ja auch den Wahlanteil quasi gehalten hat.

Thomas Lohninger

Genau

Tim Pritlove

Ist ja nicht so, daß hier es hier so eine historische Niederlage wäre wie für die NPD in Deutschland.

Blicken wir dann doch mal auf die Oppositionseite.

Dadurch, daß die Grünen wegfallen - das natürlich hart - auch wenn man wahrscheinlich davon ausgehen kann, daß so ein paar der Mitarbeiter sicherlich dann bei der Pilzpartei auftauchen - oder ist das jetzt wieder so eine revolutionärere Zerfleischung im linken Lager, daß das alles komplett neu sich aufstellt?

Thomas Lohninger

Das wird man sehen müssen.

Die Liste Pilz lebt im Moment sehr stark von ihrem Spitzenkandidaten und wie gesagt, der war 30 Jahre lang in dieser Partei für Sie im Nationalrat und dadurch ist das schon eine starke Verbindung da, die natürlich jetzt durch diesen Austritt und diese Gegenkandidatur auch sicherlich in eine Erzfeindschaft übergeschlagen hat.

Ob das gekittet werden kann und man pragmatisch ist oder ob hier Fundamentalopposition angesagt ist weiß ich nicht.

Inhaltlich gibt's schon kleine Unterschiede, wobei das ist vor allem in den Ausrichtungsfragen.

Peter Pilz hat auch teilweise - ich weiß gar nicht ob das rechte Rhetorik nennen kann - aber für ihn war z.B. politischer Islam ein ganz starkes Thema.

Aber da gibt's definitiv auch glaube ich schon nach reale Probleme.

Gleichzeitig ist es natürlich in der Art wie es bringt, führt es wiederum zu Gegenaktionen von anderen Lagern und man wird jetzt sehen welche Politik die Liste Pilz machen wird.

Es ist zu hoffen, daß sich möglichst viele konstruktive Kräfte da wieder verbinden werden, weil es braucht natürlich eine starke innerparlamentarische linke Kraft, ansonsten ist da nicht mehr so viel übrig.

Wie gesagt aber was sind wirklich für Politik gemacht wird wird spannend sein.

Angeblich hat die Liste Pilz auch keinen Klubzwang.

Hatten die Grünen auch nicht laut Statut, ob das dann wirklich in der Praxis so gelebt wird, wird man sehen.

Tim Pritlove

Was ist der Klubzwang?

Thomas Lohninger

Der Klubzwang ist die was glaube ich bei euch die Fraktionsdisziplin ist, also daß die Abgeordneten immer mit ihrer Partei stimmen sollen müssen.

Das ist eigentlich in Österreich verfassungswidrig.

In der Verfassung sind die Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet.

Defacto hast du wirklich mit enormen Konsequenzen zu rechnen, wenn man als Abgeordneter gegen die eigene Partei stimmt.

Dann geht das von: Du wirst am gar nicht mehr gegrüßt, du wirst Zu Sitzungen nicht mehr eingeladen, bis zu härtesten auch öffentlichen Konsequenzen - daß man Leuten über die Medien ausrichtet, was für böse Menschen sie nicht sind.

Da gab's schöne Beispielen - also sehr schlimme Beispiele in Österreich.

Sonja Ablinger, die das mal innerhalb der SPÖ gemacht hat.

Man wird sehen: wie frei und flexibel ist diese Liste Pilz wirklich.

Es ist zu hoffen, daß sie für die Bürgerrechte und für Netzpolitik progressive Positionen vertreten werden, weil Peter Pilz auch immer ein starker Kämpfer gegen den Überwachungsstaat war.

Wie sie dann z.B. bei Urheberrechtsthemen sich positionieren werden, wird spannend weil es gibt so Leute wie Alfred Neu??? auf der Liste, die eher so als Hardliner im Urheberrechtsbereich bekannt waren.

Da wird man sehen wie die sich da positionieren - es sind auch viele Newcomer in dieser Partei.

Tim Pritlove

Was ist von dieser Neos-Gruppierung zu erwarten?

Thomas Lohninger

Ja die Neos und so eine klassische Bürgerrechte-, klassische neoliberale Partei, sehen sich im liberalen Spektrum.

Sind definitiv gut für Bürgerrechte, da haben sie auch einen sehr guten Track Record.

Sind auch in ihrer parlamentarischen Arbeit immer sehr stark gewesen als Kontrollkraft.

Sie haben eben klar ein Wirtschaftsprogramm was man als liberal einschätzen kann.

Sie setzen stark auf Bildung.

Sie haben sich jetzt zuletzt nochmal ein bisschen verbreitert indem Sie Irmgard Griss auf ihre Liste geholt haben.

Das ist die unabhängige Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, der Bundespräsidentin, die mit 18 % ein sehr starkes Ergebnis als Unabhängige eingesackt hat.

Die wird jetzt auch für Sie in den Nationalrat einziehen.

Und Neos sind sind jetzt auch eben in dieser Liste an Parteien, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit verschaffen können.

In Österreich braucht man natürlich eine Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen

Die haben die großen Koalitionsoptionen derzeit nicht, die jeweils mit zwei Parteien sind, d.h. da brauchen Sie noch eine dritte Partei.

Es gibt auf jeden Fall viele Fragen wo es spannende Verfassungsmehrheiten gibt wenn schwarz blau und türkis also Neos sich da zusammentun.

Tim Pritlove

Die Neos haben auch türkis?

Thomas Lohninger

Nein, nein, Hello Kitty ist die Farbe die sie da haben. Pink.

Tim Pritlove

Na das ist ja sehr übersichtlich.

Meine Herren.

Das heißt, die Grünen sind sozusagen auf dem Weg der judäischen Volksfront und der Volksfront von Judäa untergegangen kann man sagen.

Thomas Lohninger

Ja. Diese Abspaltung wurde schon aktiv von Peter Pilz betrieben.

Da haben die Grünen schon versucht irgendwie das zu verhindern und zusammenzuhalten aber der gab's glaube ich auch schon vorbereitet eben Pläne sich abzuschalten.

Ja jetzt haben wir auf jeden Fall sozusagen: die klassischen Grünen sind rausgeflogen.

Liste Pilz würde ich mal als neue Partei ansehen.

Ob die das Erbe der Grünen antreten wird man glaube ich ihn dann in ein paar Jahren sehen vor allem wenn sie dann in fünf Jahren noch mal kandidieren und den Einzug schaffen - dann kann man vielleicht davon sprechen.

Tim Pritlove

Meine Herren. Das ist ja ein richtiges Schlachtfest gewesen.

Ja vor allem ist ja dann sozusagen auch überhaupt gar keine nennenswerte linke Opposition mehr zu erkennen.

Selbst wenn man noch die Neos da mit rein zählt, was wahrscheinlich schon ein Fehler wäre, kommt man bestenfalls auf 10% der Sitze.

Noch mal kurz mit der SPÖ.

Du meintest ja gerade sie sind nicht so, wie soll ich sagen, noch nicht so auf dem Weg in die Fundamentalopposition, aber das werden sie ja dann zwangsläufig sein, sollte sich die ÖVP - wie das zu erwarten ist - mit der FPÖ einigen können.

Thomas Lohninger

Ja, das wird spannend wie sie aus der Opposition heraus agieren.

Der Spitzenkandidat Sebastian Kern hat angekündigt, daß er weiterhin in der Politik bleiben wird.

Das heißt das auch in die Opposition geht, das war davor irgendwie ein bisschen fragwürdig.

Aber diese Rolle ist ist sicherlich neu für sie.

Das hatten wir schon mal, daß wir eine ÖVP-Regierung hatten.

Die Frage ist halt jetzt wie sie das fühlen werden und ich befürchte, daß sich viel an der Struktur von Österreich ändern wird, wenn diese Regierung kommt.

Und es wird dann an der SPÖ sein, gute Oppositionsarbeit zu machen und nach Möglichkeit dann irgendwie einem Abbau des Sozialstaates entgegenzuwirken.

So gut sie das dann halt noch kann.

Das Wichtigste ist für uns immer, daß man nicht anfängt, an rechtsstaatlichen Prinzipien zu rücken - wie wir das ja eben teilweise schon in Polen und in Ungarn sehen.

Wie gesagt, der Zuspruch Richtung Visegrad-Staaten - auch von der ÖVP - ist teilweise sehr explizit.

Und es gibt das sehr besorgniserregende Tendenzen.

Und wenn man sich das im europäischen Kontext anschaut - wir haben schon jetzt das Problem, daß europäische Maßnahmen und Sanktionen gegen Polen aufgrund des Abbaus von dem Verfassungsgerichtshof dort der richtigen politischen Einflussnahme in das Rechtssystem.

Das man dem nichts entgegensetzen kann, weil Ungarn da blockiert.

Und jetzt könnte Österreich sozusagen sich diesen Block anschließen und dann sieht es wirklich sehr schlecht aus für die Bürgerrechte in Österreich.

Das ist für uns auch eine klare rote Linie: wenn man hiert anfängt, irgendwie politische Einflussnahme auf auf die unabhängige Justiz auszuüben, wenn die Höchstgerichte desoliert oder abgebaut werden.

Wenn man versucht, Gesetze mutwillig in den Verfassungsrang zu heben, obwohl die da nicht hingehören um sie einfach auch dem Zugriff des Verfassungsgerichtshofs zu entziehen.

Dann sind eindeutig rote Linien stark überschritten.

Natürlich auch wenn irgendwie Presse und Medienfreiheit eingeschränkt wird.

Und wir haben kürzlich in weiser Voraussicht einen Solidaritätspakt der Zivilgesellschaft in Österreich gegründet.

Sowas wie eine NGO-NATO.

Also wenn gegen eine NGO vorgegangen wird, dann kommen die anderen zum Beistand.

Sollte da sozusagen auch die die aktive Zivilgesellschaft ins Fadenkreuz kommen, dann haben wir uns schon mit anderen großen NGOs zusammengeschlossen.

Ich hoffe, wir werden sowas nicht brauchen - aber falls es wirklich schlimm wird, dann sind wir bereit.

Ich meine Österreich hatte so eine Regierung schon mal.

Wir leben jetzt schon in anderen Zeiten, aber ich glaube man darf da die Prinzipien keinesfalls irgendwie an die neuen politischen Gegebenheiten anpassen.

Sondern man muss weiter auf auf Rechtsstaatlichkeit beharren.

So wie es jetzt ausschaut fehlen der FPÖ- und ÖVP-Koalition neun Mandate auf eine Verfassungsmehrheit.

Das ist zumindest schonmal gut, das heißt, daß sie da nicht im Alleingang durchregieren kann.

Wir haben in Österreich keine zweite Kammer, daß heißt es gibt nicht sowas wie eine Sperre, die rein realistisch durch die Bundesländer ausgeübt werden kann.

Das heißt, das wird alles im Nationalrat sehr spannend die nächsten 5 Jahre.

Tim Pritlove

Wobei der Bundesrat auch nicht unbedingt gerade ein Bollwerk gegen entsprechende Änderung des Systems darstellt.

Da kriegt ja die alte Sage von Österreich-Ungarn eine ganz neue Bedeutung, wenn Sie diese Achse tatsächlich auftun würde, dann wird es sicherlich auf europäischer Ebene nicht einfacher.

Wahlen aus netzpolitischer Perspektive

Tim Pritlove

Wie sieht denn das jetzt sozusagen aus deiner spezifischen netzpolitischen Bürgerrechtsperspektive?

Was für Projekte, die jetzt ohnehin schon umstritten waren, drohnen jetzt wieder auf dem Tisch zu kommen?

Oder in andere Ausrichtung angenommen zu werden, oder ist es noch zu früh das zu sagen?

Thomas Lohninger

Ich glaube das werden jetzt die Koalitionsverhandlungen zeigen.

Zu befürchten ist, daß es ein neues sogenannte Sicherheitspaket geben wird.

Darüber haben wir ja auch schon gesprochen.

Sicherheitspaket - das Überwachungspaket, wie wir es lieber nennen - konnten wir ja nach 7 monatelanger intensiver Kampagne verhindern.

Das ist vor der Wahl nicht mehr gekommen.

Kann ich mir gut vorstellen, daß das Teil des Koalitionsvertrags sein wird, und daß man da wieder versucht den Faden aufzugreifen.

Das war ein Paket von Maßnahmen, die sehr stark eben auf Überwachung, teils auch auf Massenüberwachung setzen.

Legalisierung vom Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung ganz viele andere lustige Sachen.

Das konnten wir verhindern.

Das hat auch die FPÖ abgelehnt in der letzten Regierung.

Und es wird spannend zu sehen ob sie - jetzt wo sie mit hoher Wahrscheinlichkeit das Innenresort sich besorgen werden, vielleicht auch das Justizressort - weiterhin gegen solche Maßnahmen sind.

Tim Pritlove

Mit welcher Argumentation waren die denn dagegen?

Thomas Lohninger

Das ist ganz lustig.

Die FPÖ ist ja eine Partei, die eine starke Tradition in den Burschenschaften hat, erst recht seitdem Haider sich da abgespalten hat.

Der Burschenschaftlerflügel innerhalb der FPÖ ist sehr stark.

Da gibt's zwei Erzählungen dafür.

Das eine ist die, die man gerne von der Richtung hört, daß sie eben auf ihre Tradition 1848 die Bürgerrechte wo die Burschenschaften aufgestanden sind und für Bürgerrechte eingetreten sind, daß das noch in ihnen lebt.

Es gibt noch sicherlich einen gewissen Kern an Nationalliberalen innerhalb der FPÖ, für die Rechtsstaatlichkeit wichtig ist, die auch einen nicht zu starken Staat haben wollen.

Der ihnen nicht in Ihrer Privatsphäre, in ihren privaten Bereich, reinregiert, reinschauen kann.

Gleichzeitig gibt es aber natürlich auch eine gewisse Nähe zu Burschenschaften und zu auch neonazistischen Gruppierungen.

Auch da gibt's in den letzten Jahren immer wieder Skandale.

Man muss sagen, daß diese Leute auch immer ausgeschlossen wurden aus der Partei.

Aber es gab so viele von diesen Skandalen, daß das Personalverhältnis glaube ich unbestreitbar ist.

Und dadurch gibt's natürlich auch sozusagen eine gewisse Angst, daß eigene Vorfeldorganisationen ins Fadenkreuz solcher staatlischen Überwachungsmaßnahmen kommen.

Nach außen hin ist die FPÖ aber eine klassische Law-and-Order-Partei, die das Sicherheitsthema auch viele Jahre lang als ihr Thema gesehen hat, in dem Thema auch die meiste Zustimmung das meiste Vertrauen hatte.

Und das konnte die ÖVP in den letzten Monaten an sich reißen.

Gerade durch Innenminister Sobotka, der wirklich so das aller extremste an Innenminister der Law-and-Order-Fraktion ist, was man sich vorstellen kann.

Der hat es geschafft, dieses Thema ein bisschen von der FPÖ zur ÖVP-Seite zu ziehen und deswegen wird's für die FPÖ auch so wichtig, sich dieses Ressort für sich zurückzuholen und da die Themenführerschaft nicht an die Konservativen abgeben zu müssen.

Dadurch liegt es sozusagen auch in ihrer Hand, aber wird sicherlich bei den Koalitionsverhandlungen jetzt noch ausgedealt werden.

Sobald es einen Koalitionsvertrag gibt oder auch wahrscheinlich schon während den Verhandlungen werden wir uns als epicenter.works sicherlich da einbringen.

Wir werden Analysen schreiben, wir werden mit allen Politikern Gespräche führen, um hier immer auf rechtsstaatlichen Garantien zu beharren.

Es gibt ja interessante Gegenvorschläge, die wir inzwischen auf dem Tisch gebracht haben.

Was man für die Sicherheit tun könnte, was nicht Massenüberwachung bedeuten würde und was vor allem noch mehr Richtung Prävention, soziale Sicherheit und laizistischer Staat geht.

Es gäbe ganz viel, was man tun kann gegen Extremismus in einer Gesellschaft von Einrichtungen.

Ich sag mal, es wird Bürgerrechtsorganisationen brauchen in der nächsten Zeit, damit wir dem Sturm da gewappnet sind.

Tim Pritlove

Es ist wirklich erstaunlich.

Man ist ja nun von Österreich schon so einiges gewohnt, und das sowieso immer alles schon noch mal so bisschen rechter veranlagt ist.

Aber das man noch weiter nach rechts rücken kann, daß macht einen schon irgendwie so ein bisschen fassungslos.

Ich meine, gibt's denn wirkliche richtige Probleme, die jetzt hier von der Linken - ic hsag mal vom linken Spektrum und dann würde ich jetzt mal so pauschal die SPÖ auch noch mal reinnehmen -irgendwie jetzt grob vernachlässigt wurden?

Thomas Lohninger

Das ist eine gute Frage.

Ich würde jetzt persönlich sagen, daß die SPÖ seit vielen vielen Jahren keine glaubhafte linke Politik mehr macht.

Daß sie sich in so gut wie keiner Frage wirklich klar positioniert.

Daß sie auf die großen Herausforderungen unserer Zeit keine Antworten hat, in den Konzepten, die sie vorlegt.

Daß sie bei so gut wie allen inhaltlichen Fragen einknickt vor der ÖVP und noch im liegen umfällt.

Sich in so gut wie keiner Verhandlung durchgesetzt hat und das einfach, obwohl sie jetzt die letzten Jahre in der Regierung war, keine sozialdemokratische Politik in Österreich gemacht wurde.

Ich bin wirklich erstaunt über dieses Wahlergebnis der SPÖ - weil eigentlich hätten sie nach diesem vielen Jahren Regierungsbeteiligung, wo sie so wenig umgesetzt haben, glaube ich auch ein negativeres Ergebnis selber erwartet.

Gerade mit diesem Wahlkampf, daß sie jetzt weiterhin einer stabilen 26%-Lage verharren, sagt schon irgendwie, daß sich da - glaube ich - auch nicht viel ändern wird.

Sie haben jetzt wieder die Möglichkeit, Oppositionsarbeit zu machen, aber das ist immer leicht, da Positionen zu vertreten, wenn man sie dann nicht wirklich umsetzen muss.

Tim Pritlove

Ja na gut, es hat ja dann auch damit zu tun welche Politiker dann letzten Endes die nächsten Karrierepfade dort anstreben.

Ich meine, wenn jetzt dieselben Vögel nur ein anderes Lied singen, dann überzeugt das wahrscheinlich auch nicht unbedingt jeden sofort, auch wenn das vielleicht .. zu romantisch gedacht ist von mir.

Thomas Lohninger

Es werden spanndende 5 Jahre, sollte die ganze Legislaturperiode durchregiert werden.

Wer irgendwas für Bürgerrechte tun will, und da auch einen Watchdog der jetzt mit noch mehr Fokus auf das österreichische Parlament schaut, dann kann man uns Spenden als Organisation.

Wir freuen uns, wenn wir irgendwie die die Mittel bekommen, daß wir diese Regierung im Zaum halten.

Ich glaube, das ist so die positive Lesart von dem was in den USA passiert für mich.

Tim Pritlove

Vielleicht solltest du auch noch mal sagen, wer "uns" ist.

Thomas Lohninger

spenden.epicenter.works

"epicenter.works-Plattform Grundrechtspolitik" ist der ehemalige AK Vorrat.

Wir sind diejenigen, die sich so für Netzpolitik und Bürgerrechte in Österreich einsetzen.

Wir haben ein Büro mit Mitarbeitern, die sich um diese Dinge kümmern.

Wir schreiben viele juristische Analysen, machen Kampagnen.

Man kennt uns eh von "Save the Internet" von ueberwachungspaket.at und von der Verfassungsklage damals, die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft hat.

Wir haben einen sehr guten Track Record.

Bis jetzt haben wir fast alles gewonnen, an Themen, die wir bearbeitet haben.

Wir werden auch sicherlich sehr nah dran sein an diesem Parlament, und werden da versuchen, nach besten Kräften das Schlimmste zu verhindern und vielleicht sogar ein paar positive Projekte auch noch unterzubringen.

Tim Pritlove

Nochmal eine Nachfrage zu dem - ich fand das eine sehr schöne Formulierung - mit der NGO-NATO.

Das ist insofern interessant, als daß man ja nun glauben wollen würde, daß eigentlich NGOs ohnehin da schon eine Achse haben sollten wo zusammengearbeitet und füreinander gekämpft wird.

Hattest du den Eindruck, daß das vielleicht doch so bisher noch nicht so war, das das Bewusstsein dafür noch nicht so da war?

Oder sagst du das jetzt nur, weil es jetzt nochmal eine besondere Awareness gibt über das, was ohnehin schon existiert?

Thomas Lohninger

Man muss da schon extra Netzwerke bilden, die sich dann auch aktivieren lassen.

Ich nehm ein schönes Beispiel:

Es wurde in Österreich dieses Jahr die Versammlungsfreiheit eingeschränkt.

Demonstrationen sind jetzt weitaus schwieriger durchzuführen, können auch viel leichter verboten werden.

Das ist ein Thema, wo jeder NGO und auch viele nicht organisierte Menschens aus der Zivilgesellschaft direkt betroffen sind.

Trotzdem war der Aufschrei bei weitem nicht so laut hier hätte sein können oder sollen.

In sowas muss man einfach aktive Strukturen haben, die schon organisiert sind - damit man auf den Knopf drückt und dann wissen alle Bescheid und können ihre Schritte einleiten.

Die Prüfung, die Aktivitäten, die dann die einzeln Gruppen setzen, liegen eh wieder bei Ihnen.

Aber man muss bereit sein, wenn solche Einschnitt kommen, um dann schnell reagieren zu können.

Das politische Fenster ist oft nur sehr gering und sehr kurz.

Dann gehe ich wieder zurück zu den USA:

Da sehen wir ja auch, wie - obwohl die Regierung ihr Bestes tut, um Dinge zu verkacken - es nur mit viel organisierter Zivilgesellschaft und Medien und am Ende auch Gerichten geht, da die Regierungen im Zaum zu halten.

Solche Netzwerk gebraucht es einfach, die müssen auch geschärft sein, weil ein ein ein liberaler demokratischer Staat verteidigt sich nicht von selbst.

Erst recht, wenn die Regierung daran schraubt, muss man bereits sein, rote Linien aufzuzeigen und dann auch ganz laut verbalisieren.

Tim Pritlove

Find ich einen guten Ansatz.

Vielleicht noch mal ein bisschen konkreter:

Wenn du sagst "Netzwerke aufbauen", was heißt denn das was heißt denn das konkret?

Daß man sich regelmäßig trifft, gibt's ein rotes Telefon?

Thomas Lohninger

Es gibt ein rotes Telefon.

Das ganze ist noch im Aufbau.

Wir wollten jetzt mal vor der Wahl mit einer Pressekonferenz rausgehen und haben dieses initiale Bündnis mit einem Grundsatzpapier mal veröffentlicht, in dem auch diese rechtsstaatlichen Prinzipien festgeschrieben sind.

In dem es Beispiele gibt aus anderen Ländern wovor wir warnen.

Das heißt, der Grundkonsens ist da.

Der wird dann bald auf einer Website, die noch nicht online ist, niedergeschrieben sein und dann wird das ganze auch hoffentlich noch wachsen.

Die Kommunikationskanäle existieren aber schon sollte jetzt etwas passieren.

Das soll sozusagen wirklich ein Grundkonsens sein, der hat sich nur auf Rechtsstaatlichkeit bezieht, und nicht auf andere Dinge, die uns auch wichtig sind, wie Ökologie oder Sozialrechte.

Sondern da geht's wirklich sozusagen um den Handlungsspielraum an sich - und nicht die einzelnen Themen.

Das Konzept findet man dann hoffentlich dieses Jahr noch auf solidaritätspakt.org und kann auch gerne kopiert werden an anderen Stellen, wo es vielleicht auch notwendig ist.

Tim Pritlove

Wer nimmt daran teil?

Wenn du NGO sagst, wer ist das dann?

Thomas Lohninger

Das sind eben

epicenter.works, ATTAC, Greenpeace, global2000

Das Hilfswerk ist dabei, also auch so aus dem sozialen-kirchlichen Bereich.

Insgesamt sind es glaube ich 20 NGOs.

Tim Pritlove

Also auch gar nicht jetzt unbedingt nur so netzorientierte oder netzpolitikorientierte Gruppierung oder so konkret..

Thomas Lohninger

Nein überhaupt nicht.

Tim Pritlove

Aktivistische Gruppen, sondern es geht schon weiter als das.

Thomas Lohninger

Genau, es sind auch Gewerkschaften dabei.

Der bekannteste Fall in Österreich, wo gegen einzelne NGOs vorgegangen wird, war auch der Tierschützerprozess rund um den VW Tier.

Wo Tierschützer auf einmal in ein terroristisches Eck gerückt werden und mit einem sehr obskuren Paragraphen der Bildung einer kriminellen Organisation angeklagt wurden, für 100 Tage im Gefängnis waren, massiv überwacht wurden auch mit eingeschleusten V-Leuten - also verdeckten Ermittlern.

Und all das hat dann zu nichts geführt.

Am Ende wurden alle zehn Angeklagten freigesprochen.

Aber hier ist schon wirklich der Rechtsstaat sehr gebogen worden.

Man ist einfach gegen legitimen zivilgesellschaftlichen Protest so vorgegangen, als wären das alles Terroristen.

Das ist immer noch ein mahnendes Beispiel aus der jüngeren Geschichte.

Insofern es ist ganz wichtig, daß man da über den Tellerrand schaut und eben alle Menschen, die sich auf dem Boden der Verfassung demokratisch einbringen, die haben die Solidarität von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren verdient.

Wir tun sowas halt auch in weiser Voraussicht, weil - ich will der neuen Regierung noch nichts unterstellen, man muss immer neutral bleiben gegenüber gewählten Volksvertretern, finde ich - aber sollte es irgendwie in eine schlechte Richtung abdriften, dann sind wir bereit.

Tim Pritlove

Ich wünsche euch da auf jeden Fall viel Erfolg und viel Durchhaltevermögen.

Meine Güte, und das sind auch noch gleich 5 Jahre und nicht 4.

Naja.

Bundesnetzagentur zu StreamOn

Tim Pritlove

Kommen wir zu anderen Begebenheiten in Deutschland.

Du warst ja auch - habe ich ja auch eingangs erwähnt, wissen ja eigentlich auch alle, aber kann man ja vielleicht trotzdem noch mal bestätigen - schon seit Jahren in Sachen Netzneutralität unterwegs.

Hast den ganzen Prozess auf EU-Ebene begleitet und natürlich auch national und hast dich aber auch in Deutschland eingemischt, jüngst erst wieder durch deine schöne Rede auf der Telekom Aktionärsversammlung.

Schönes Ding.

Es geht um den Tarif "Stream On".

"Stream On" steht in der Kritik, mit all diesen frisch beschlossenen Prinzipien der Netzneutralität zu brechen.

Was heißt "mit all den", aber mit dem Prinzip an sich zu brechen.

Weil dieser Tarif, der eben offiziell natürlich kostenlos, aber immerhin vertragsgebunden, bestimmten Anbietern die Möglichkeit bietet, empfangen zu werden von den Kunden in diesem Tarif, ohne daß das von den Volumengebühren abgeht.

Sprich alle anderen, die keinen Vertrag haben, laufen dann zwangsläufig in eine Grenze.

Da wurde jetzt lange darauf gewartet, daß sich auch bitte mal die Bundesnetzagentur dazu äußern sollte.

Da die ja hier quasi als aktiver Körper des Regulierer fungiert, und dazu natürlich eine Meinung haben muss.

Das hat dann sehr sehr sehr lange gedauert, und jetzt kam sie mit ihrem Beschluss dann endlich mal raus.

Also schön pünktlich nach den Wahlen.

Ein Schelm wer da Böses denkt, aber auffällig war das schon, daß es so lange gedauert hat.

Und meint natürlich, das wäre alles super.

Es gab Dinge, die kritisiert wurden.

Aber im Wesentlichen kann man doch sagen, hat die Bundesnetzagentur hier "Stream On" eigentlich freien Lauf gegeben, oder?

Thomas Lohninger

Da muss näher hinschauen.

Was hier passiert ist, ist daß die Bundesnetzagentur - nachdem sie über 5 Monate lang nachgedacht hat, nachgedacht hat, nachgedacht hat, und eigentlich wahrscheinlich unter sehr vielem politischen Druck stand, vor der Wahl nichts mehr zu tun - dann jetzt doch vor ein paar Wochen einen Brief an die Deutsche Telekom geschickt hat, auf Basis von Paragraph 126 des deutschen Telekommunikationsgesetzes: "Untersagung".

Im Grunde hat sie "Stream On" aufgrund ihrer Prüfung bei einigen Stellen gesagt:

Das widerspricht gegen geltendes EU-Recht und deswegen muss es untersagt werden.

Ihr habt jetzt hier eine Frist in der hier nachbessern könnt.

Diese Frist kann wahrscheinlich noch mal verlängert werden, da kann man noch herumstreiten.

Aber der Tarif - so wir er jetzt ist - kann auf jeden Fall nicht bestehen bleiben.

Die Frage ist, worin genau liegt jetzt sozusagen das Problem mit Stream On.

Wir haben immer gesagt: Es gibt Dinge, die ganz klar sind und Dinge die case-by-case sind.

Die Drosselung, die bei dem mittleren Tarif von Stream On ist - da wo Video auf die tolle DVD Qualität der 2000er Jahre reduziert wird - das ist klar ein Verstoß gegen die Netzneutralität.

Da gibt's gar keine Frage, das hätte man irgendwie in einer Woche untersagen können.

Dann gibt es das Zero-Rating wo man genauer hinschauen muss.

Wo wir aber auch klar sagen, das kann nur illegal sein angesichts der niedrigen Datenvolumen in Deutschland.

Was wird jetzt passieren?

Diese Untersagung, darauf muss die Telekom reagieren.

Den genauen Text dieser Untersagung kennen wir nicht, da ist nur durch die Medien ein bisschen was nach außen gesickert.

Wo die Bundesnetzagentur auch auf jeden Fall klar moniert hat, ist daß Stream On ja nicht im europäischen Ausland funktioniert, sondern nur innerhalb von Deutschland.

Das widerspricht klar den Bedingungen der der Roamingverordnung, die ja dieselbe Verordnung ist wie Netzneutralität.

Wir erinnern uns an diesen Treppenwitz, daß man politisch Netzneutralität und Roaming zusammengezogen hat in ein Gesetz, und auch gegeneinander abgedealt hatte:

Wir nehmen der Telekomindustrie bei Roaming ein bisschen was weg, und dafür geben wir Ihnen laxere Netzneutralitätsregeln.

Der Treppenwitz ist jetzt, daß sich das scheinbar rächen könnte und daß das Roaming dann eben auch für Zero-Rating-Tarife gelten muss.

Das heißt, ich muß Stream On auch in Österreich in Frankreich, wo auch immer ich bin, nutzen kann.

Das Datenvolumen von z.B. YouTube, daß ich über Stream On in Frankreich nutze, darf nicht gegen mein normales Datenvolumen gezählt werden.

Da gibt es auch schon lustige Artikel auf Golem, die das analysieren und die haben im Grundsatz recht.

Was dabei übersehen wird: Es gibt ja immer noch Roaminggrenzen.

Es gibt ja immer noch eine Begrenzung für das Datenvolumen, was ich im europäischen Ausland verwenden darf.

Das bemisst sich nach einer interessanten Formel.

Da muss man den Nettopreis des Tarifs nehmen, also das Kundengeld pro Monat, das dividiert man durch 7,7 mal 2 - und das sind die Gigabyte, die man im europäischen Ausland nutzen darf.

Und das ist teilweise jetzt schon über dem normalen Datenguthaben, was die Magenta-Tarife der Deutschen Telekom haben.

Das liegt so in dem Bereich, für den es Stream On gibt - jetzt aus dem Kopf irgendwo zwischen 8 und 15 Gigabyte.

Das darf man sozusagen nutzen an Roamingguthaben, und das ließe sich dann eben auch für Stream On ge-zero-ratete Dienste komplett gratis nutzen.

Wie gesagt, es ist interessant zu sehen, dass es schon über dem eigentlichen Datenguthaben der Magenta-Tarife liegt.

Das heißt, die Telekom wird es hier von zwei Seiten angegriffen:

Einerseits in den mittleren Tarifen, wo sie den Leuten ja nur irgendwie ganz wenig Gratisvideodatenvolumen geben wollte durch diese Drossel - da fällt wahrscheinlich die Drossel weg, da müssen sie diesen Leuten auf einmal viel mehr an Gratisdatenvolumen schenken.

Gleichzeitig haben sie durch das Roaming jetzt höhere Kosten, weil wenn die neue Kunde der Deutschen Telekom irgendwo im europäischen Ausland jetzt über die Nacht ganz viel YouTube schaut, dann muss die Deutsche Telekom dem lokalen Netzbetreiber Geld zahlen.

Sogenannte Vorleistungsentgelte.

Jedes Jahr wird das mehr, diese Zahl 7,7 in der vorgenannten Formel, wird immer pro Jahr weniger, bis irgendwann mal 2,2 Euro pro Gigabyte betragen wird.

Das heißt, die Kosten für die europäischen Vorleistungsentgelte werden immer niedriger.

Das heißt, wir kriegen pro Jahr mehr Datenvolumen, was wir in Europa nutzen können.

Tim Pritlove

Wann läuft das aus?

Ist das dann irgendwann mal an so einem Punkt, wo man überhaupt nichts mehr extra zahlt oder keine Einschränkung hat?

Thomas Lohninger

Ja, mein zweiter Rechner auf dem ich hier tippen kann hat gerade kein Netz, deswegen aus dem Kopf heraus glaube ich -

2022, bis dahin das jetzt läuft, das sind jetzt 4, 5 Jahre die jetzt progressiv dieses Vorleistungsentgeld gesenkt wird.

Bis es am Ende eben bei 2,2 ist.

Das Spannende ist aber, das man eigentlich in Deutschland jetzt schon fast mit einem europäischen Tarife aus dem Ausland besser fährt.

Wenn man hin und wieder wenigstens in einem anderen Land ist, sollte man das auf jeden Fall probieren.

Das große Problem des Zero-Ratings in Deutschland ist eigentlich, daß die Datenvolumen zu niedrig sind.

Wir sehen ja jetzt auch, daß Vodafone mit seinem neuen Angebot in dieselbe Kerbe schlägt, anstatt daß man das Datenvolumen für die Kunden erhöht, wie es im europäischen Vergleich längst überfällig wäre.

So schafft man diese Zero-Rating-Programme, die es den Kunden dann eben auch wieder nur erlauben, ausgewählte Dienste zu nutzen.

Diese Art von Zero-Rating schafft einfach eine, ist die schlecht für den Wettbewerb, weil natürlich als Diensteanbieter gehe ich nur zu einem großen Mobilfunkern und schreibe mich dort in Verträge ein.

Auch als Endkunde habe ich dann natürlich die Wahl zwischen überall niedrigem Datenvolumen oder ich gehe zu so einem Zero-Rating-Angebot.

In Wirklichkeit müsste die Bundesnetzagentur Stream On verbieten.

Und dann müsste die Deutsche Telekom - schon um ihre jetzigen Kunden nicht zu verlieren - die Datenvolumen erhöhen.

Das würde das Problem auch abschließend lösen und würde Deutschland endlich irgendwie auf ein vergleichbares europäisches Niveau bringen.

Das ist auf jeden Fall nur eine halbherzige Entscheidung, die trotzdem die Telekom unter Druck setzt.

Was jetzt hier passieren wird ist, daß in dem Verfahren wird die Telekom auf jeden Fall versuchen, so lange hinauszuzögern wie es irgendwie geht, weil sie auch um die Drossel kämpfen wollen.

Auch beim Zero-Rating werden Sie diese Lesart nicht hinnehmen, und das ganze wird ultimativ auch vor Gericht landen.

Vodafone und die Telekom werden auf jeden Fall an ihren Tarifen festhalten, deswegen liegt es auch an der Telekom, schnell Nägel mit Köpfen zu machen.

Und auch möglich transparent zu sein.

Tim Pritlove

Aber die Bundesnetzagentur wird doch irgendeine Frist genannt haben?

Thomas Lohninger

Ich glaube die offizielle Frist sind 2 Wochen.

Das heißt jetzt ist die Frage eben, ob die Telekom um die Verlängerung dieser Frist ansucht.

Im Grunde müssten diese zwei Wochen jetzt im Oktober noch auslaufen.

Theoretisch könnte Stream On jetzt irgendwie dieser Tage verboten werden, zumindest in der Form.

Wenn die Telekom nachbessert .. - aber wie gesagt das Ganze wird ultimativ sowieso vor Gericht landen.

Tim Pritlove

Hilf mir mal ein bisschen zu verstehen.

Ich grübel die ganze Zeit schon darüber, was eigentlich die Telekom - mal abgesehen jetzt von so einem Marketingeffekt - vielleicht ist das auch der einzige, den Sie sich wünschen - davon hat.

Klar: Mit einem attraktiven Tarif, denn jetzt alle toll finden, könnten sie ja im Prinzip neue Kunden gewinnen.

Ich würde mal sagen, darum geht es primär.

Das tun sie ja vielleicht, auch weiß ich nicht.

Telekom ist ja in Deutschland was Datenvolumen betrifft eigentlich der schlechteste Anbieter.

Vodafone ist da ist auch nicht so sehr viel besser.

Sprich, die beiden großen, die eigentlich die niedrigsten Volumina anbieten -

Was heißt die beiden großen, es gibt ja nur noch 3, wir haben eine Trinität von Anbietern.

Und O2 hat halt durchgehend bessere Angebote, dann gibt's noch diese ganzen Reseller, die teilweise auch noch mal bessere Angebote haben - aber dann eben mit bestimmten Features, die nur die Telekom hat, wiederum nicht wählen können.

Da gibt es z.B. diese lustige Option, dass man sich so für einen Tag für 5 € mal komplett freikaufen kann.

Es gibt auch einen unlimitierten Vertrag glaube ich bei der Telekom in der Größenordnung von 200 €.

Es ist jetzt nicht so, daß es das gar nicht gäbe.

Es ist nur so, daß die Preise dafür erheblich viel höher sind, als man das aus dem Ausland kennt - wo man teilweise für 20-30 € in den skandinavischen Ländern entweder sehr hohe Volumina bis hin zu Flatrates erhält bereits.

Wenn jetzt also Telekom sagt: Okay, wir machen jetzt hier so ein Tarif und die populärsten Angebote wie z.b. YouTube wo ich mal fast vermuten würde, daß das schon so gut wie die Hälfte des nennenswerten Traffics ausmacht, weil das einfach so ein mega populärer Dienst ist und die Daten die darüber gehen halt auch nicht gerade gering sind, dann haben sie diese Kosten für die Daten ja ohnehin.

Was würde es sie denn nennenswert noch extra kosten, diese Diskriminierung aufzugeben? Das verstehe ich nicht so richtig.

Thomas Lohninger

Das ist genau die Gretchenfrage, die es zu beantworten gilt, und die nicht für die Bundesnetzagentur Ausland heute ausschlaggebend sein sollte.

Anstatt jetzt einfach mehr Datenvolumen für die Kunden zu geben.

Die Tatsache, daß es Stream On gibt, ist der Beleg dafür, dass das a) das Netz die Kapazitäten für dieses Datenvolumen hat und b) die Leute schon längst dafür zahlen, und auch durch die monatlichen Grundentgelte dieses Netz erhalten und ausgebaut werden kann.

Wir haben jetzt den Beleg dafür, daß die Leute schon längst für was zahlen, was sie nicht kriegen.

Anstatt, daß die Telekom den Leuten einfach mehr Datenvolumen gibt, hat sie diesen Weg gewählt:

Ein komplexes System zu machen, wo sie die Kunden und die Diensteanbieter gegeneinander ausspielen kann.

Wo sie im Grunde gegenüber den Dienstanbietern wie YouTube, wie Spiegel-Online, die da alle dabei sind sozusagen mit ihrem großen Kundenstamm werben kann:

Kommt zu uns. Ihr habt ihr dann die Pole-Position gegenüber unseren vielen vielen Kunden, und das ist für euch gut weil dann euer Dienst mehr genutzt werden kann - wir machen sogar Werbung für eure Marken auf unseren Produktseiten - und wir haben sozusagen hier einen Deal, der ist zwar nicht monetär, aber ihr bindet euch an uns.

Ihr macht unser Produkt attraktiver und wir eures.

Gegenüber dem Kunden ist es dann einfach so: Ich will diese Dienste nutzen.

Das sind die großen Dienste die ich jetzt gerade kenne und nutze.

Welchen Anbieter wähle ich noch mal?

Ich kann jetzt irgendwie in Gigabyte rechnen, aber ich weiß vielleicht eh nicht wie viel Gigabyte jetzt so ein Netflixvideo ausmacht.

Ich gehe einfach zu dem Anbieter, der mir Netflix dazu gibt.

Dadurch habe ich sozusagen Kommodifizierung das Internets.

Das ist nicht mehr in Universaldienst, sondern auch für den Kunden ist das Logo, die Marke der einzelnen Diensteanbieter, ein Anreiz für dieses Zugangsprodukt.

Die Telekom schafft es damit, sich in einer sehr einzigartige Position am Markt zu bringen, die sie gegenüber beiden Seiten dieses doppelten Markt ist sehr attraktiv macht.

Sie ist der Gatekeeper.

Auch wenn andere Anbieter jetzt mit ähnlichen Produkten kommen, und Vodafone Pass hat das jetzt schon getan, sind die nur noch die zweiten - noch dazu mit dem komplexeren System - sehr viel schwieriger es haben werden, da auf Augenhöhe zu kommen.

Was die Anzahl an Diensten anbetrifft.

Auch was die Anzahl an Kunden betrifft, weil bei Vodafone muss ich auf einmal zahlen, um Pässe zu bekommen, um diese Dienste nicht mehr von meinem Datenvolumen abgezogen zu bekommen.

Damit schafft man einfach eine Zementierung der Marktposition.

Kein kleiner Mobilfunkanbieter hätte so ein Produkt auf den Markt bringen kann, das kann nur die Telekom.

Sie schafft damit natürlich auch hinter sich eine lange Betonspur, wo nichts mehr wachsen kann.

Weil bis irgendein anderer Anbieter da hinterherkommt, dauert es schon sehr lange.

Dadurch ist das jetzt einfach mal sowohl schlecht für den Mobilfunkmarkt, wie eben auch schlecht für den europäischen Binnenmarkt und den Inhaltemarkt.

Es ist halt einfach als kleines Unternehmen, oder als kleiner Radiosender - es sind jetzt zusehends Lokalradiosender bei Stream On dabei - wie viele solche Zero-Rating-Angebote kann ich abschließen?

Werde ich jetzt irgendwie auch mit einem österreichischen Mobilfunkanbieter vielleicht so ein Zero-Rating-Angebot abschließen?

Werde ich das irgendwie auch mit einem kleinen virtuellen Mobilfunker machen?

Wahrscheinlich nicht, weil die Vertragsbedingungen sind schon mal nicht kompatibel.

Bei Vodafone kennen wir sie gar nicht, weil da muss ich zuerst einen Non-Disclosure-Agreement, also einen Verschwiegenheitsvertrag, unterschreiben, bevor ich die Tarifbestimmungen kenne.

Und auch die technischen Bedingungen dieser verschiedenen Zero-Rating-Angebote werden nicht kompatibel sein, so daß ich mich dann vielleicht noch technisch und entscheiden muss: Mach ich jetzt irgendwie zwei Versionen eines Dienstes?

Passe ich den regelmäßig an, um mit all diesen Zero-Rating-Angeboten noch konform zu sein?

Auf einmal habe ich nicht mehr dieses Grundprinzip des Internets: Du bist von Tag eins mit deinem Dienst global gleich gut verfügbar wie alle anderen.

Sondern auf einmal musst du Verträge machen mit jedem lokalen Wegeherrscher der dieses lokale Netzwerk hat, um dort noch verfügbar oder gleich gut verfügbar zu sein.

Da geht einfach das Grundprinzip des Internets verloren.

Noch dazu gibt's viele Dienste, die prinzipielle ausgeschlossen sind von Stream On.

Alles, wo du ohne DRM arbeitest, wo du Inhalte auch frei nutzen kannst, runterladen kannst, außerhalb der App nutzen kannst - und wo es vielleicht gar keine App gibt.

Stream On ist nämlich auch eingeschränkt auf Mobilfunkgeräte.

Du dürftest theoretisch gar nicht tethern mit Stream On und dann sozusagen das Netflix auf dem Browser von deinem Laptop sollte gar nicht gehen über Stream On, sondern das ist nur immer in Apps gedacht.

Wodurch auch die Geräte Freiheit eingeschränkt ist, die auch in der Netzneutralitätsverordnung steht.

Hier gibt es viele negative Konsequenzen, die aber von der Telekom in Kauf genommen werden - weil sie sich damit selbst was Gutes tut.

Das ist schon innerhalb von Deutschland hochproblematisch, weil du jetzt einfach dieser wirklich desaströse Volumensituation -- an der hätte sich etwas ändern müssen.

Durch diese Zero-Rating-Angebote und werdet ihr wahrscheinlich ein paar Jahre lang damit leben müssen, bis da irgendwer mal wieder mutig genug ist ein Angebot zu machen.

Mit der Telekom jetzt zu konkurrieren als kleiner Anbieter wird sehr schwierig sein.

Tim Pritlove

Das ist nämlich genau ein Punkt, den man betonen sollte.

Auf der einen Seite wird ja bei Netzneutralität jetzt immer argumentiert: Es sei ja nicht gut für die Anbieter im Internet weil die nicht gleich behandelt werden.

Aber es ist ja genauso auch ein Problem für die Vielfalt im Mobilfunkbereich aus den von dir genannten Gründen.

Von daher ist das sozusagen in jeder Hinsicht doof.

Seufz.

Hast du da einen Einblick wie sich das unter Umständen weiter eskalieren ließe?

Ich meine, wenn hier gegen eine europäische Richtlinie verstoßen wird - wir reden von einer Richtlinie, ja?

Thomas Lohninger

Einer Verordnung.

Tim Pritlove

Ah, wir reden von einer Verordnung, das ist bindend.

Wenn jetzt gegen diese Verordnung verstoßen wird, oder wenn zumindest begründeter Anlass dazu besteht, dann müsste das ganze ja im Prinzip von einem deutschen Gericht in Richtung Europa eskaliert werden um da eine Entscheidung zu bekommen.

Thomas Lohninger

Das ist die Frage.

Wir sind in Vorbereitungen diesbezüglich.

Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.

Wenn es deutsche Juristen gibt, die sich vor allem in öffentlichem Recht, Telekomrecht auskennen und da irgendwo die deutschen Spezifika kennen, dürfen Sie sich gerne bei uns melden.

Wir sind in Vorbereitung für die Möglichkeit da irgendwo noch ein bisschen nachzutreten.

Aber der Ball liegt immer noch bei der Bundesnetzagentur.

Ich hoffe, daß das möglich transparent gespielt wird.

Ich hoffe auch, daß es schon mal jetzt irgendwie endlich Zahlen gibt, über diese ganzen Sign-up-Prozesse von Stream On und auch dann bei Vodafone Pass.

Man merkt jetzt schon, daß Vodafone hier eine Verschwiegenheitserklärung verlangt.

Die tun sie eigentlich nur wegen der Analyse von unabhängiger Seite, daß da jetzt irgendwie Stakeholder wie netzpolitik.org, wie die Verbraucherzentralebundesverband sich diese Produkte näher angeschaut haben.

Das will Vodafone vermeiden, indem Sie hiermit Vertragsstrafen drohen.

Ich will nur mal kurz auf die europäische Ebene kommen.

Wir haben auch eine Situation, daß das ganze dann auch auf europäischer Ebene nicht durchzuhalten ist.

Wenn wir uns überlegen, wir haben einen europäischen digitalen Binnenmarkt, und jetzt gibt es überall in ganz Europa solche Zero-Rating-Angebote, ja dann muss ich irgendwie in 24 Amtssprachen Verträge abschließen, mit potentiell tausenden von Internetprovidern um noch verfügbar zu sein.

Also im Grunde ist es auch eine Frage für die anstehende Novelle von besagter Netzneutralitätsverordnung, dieses Problem zu erkennen und was dagegen zu tun.

Das wird dann nach der nächste EU-Wahl sein.

Aber ich glaube, daß wir da auch auf eine Situation zusteuern, wo man mit einem Auge eben sieht, daß das ein Problem ist und irgendwas dagegen tun muss.

Ansonsten gibt es einfach bald keine digitalen Binnenmarkt mehr.

Tim Pritlove

Wie sieht denn das unser Kommissar, der Herr der Ansip?

Thomas Lohninger

Der schreibt dazu noch.

Mir wären da keine Aussagen bekannt.

Im Grunde ist es auch eine Frage von BEREC, von den europäischen Regulierungsbehörden.

Die müssen jetzt bis Ende des Jahres, wahrscheinlich aber erst Jänner, einen Bericht veröffentlichen, wo sie sich die Implementierung von Netzneutralität in Europa anschauen.

Der wird sehr spannend sein.

Da brauchts irgendwie eine schöne Gesamtschau darüber, wie denn dieses Gesetzes, was ja eine Verordnung ist - also einheitlich in allen Ländern gelten muss - ob das auch einheitlich umgesetzt wird.

Ich glaube der große Zankapfel ist im Moment Zero-Rating.

Da gab es in Ungarn Entscheidungen, die Zero-Rating klar verboten haben.

Ich glaube die Ungarn sind die einzigen, die bis jetzt Zero-Rating klar verboten haben, aufgrund des neuen EU-Gesetzes.

Ich verlinke hier auch die ungarischen Entscheidungen - falls es jemanden gibt, der die übersetzen kann aufs Englische oder Deutsche, wär das cool.

Im Sinne des Logbuchs muss ich auch noch etwas vermelden was keine gute Neuigkeit ist:

In den Niederlanden wurde nämlich Zero-Rating-Produkt kürzlich erlaubt.

Die Niederlande waren ja lange der Vorreiter für Netzneutralität.

Waren eins der ersten Länder in Europa oder das erste Land, das Netzneutralität gesetzlich abgesichert hat.

Und T-Mobile hat es in die Niederlanden geschafft, mit ihrem "datafree music" durchzukommen.

Das ist mehr oder weniger der Musikteil von Stream On, der dort an dem Markt gebracht wurde.

ACM, die niederländische Regulierungsbehörde, hat diesen Tarif durchgewunken.

Bits of freedom, die lokale netzpolitische Organisation, hat aber schon angekündigt, dagegen in Berufung zu gehen.

In den Niederlanden gibt es eine sehr starke Tradition von Netzneutralität.

Das ist den Leuten dort wichtig, zumindest der Politik, aber eben leider nicht der Regulierungsbehörde.

Deswegen wird das auch spannend, wie das dann vor Gericht ausgehen wird.

Tim Pritlove

Ich fasse zusammen: Das ist alles jetzt noch gar nicht gesagt, daß es bei dieser aktuellen Situation bleiben wird.

Stream On hat Probleme eigentlich auf mehreren Ebenen, auch wenn die Bundesnetzagentur nicht unbedingt das kritisiert hat, was wir so primär sehen.

Es gibt durchaus schon knifflige Anmerkungen, insbesondere bezüglich des Roamings.

Derzeit schließt ja der Tarif quasi diesen Betrieb außerhalb Deutschlands aus.

Da gibt's ja bei der Telekom, ganz unabhängig von Stream On, ähnliche Fälle.

Wie die von mir schon erwähnte "Dayflat", die man sich schalten kann.

Man kann ja für 5 € sagen: Jetzt bitte einmal hier unlimitiert - auch das wird im Ausland nicht angeboten.

Auch wenn ich hörte, daß man, wenn man da über die Hotline geht, da auch schon andere Ergebnisse erzielen kann.

Auch an der Stelle werden ja hier andere Angebote gemacht, die auf europäischer Ebene dann nicht gelten.

Ich könnte mir sogar vorstellen, daß das eigentlich ein ganz mächtiger Hebel ist, oder?

Thomas Lohninger

Ist es.

Ich würde auch jetzt immer stärker auf den europäischen Vergleich hoffen.

Deutschland ist einfach wirklich desaströses Schlusslicht.

Und wenn man hier - wir verlinken auch nochmal - den Digital Fuel Monitor, die haben einen schönen Ländervergleich, wo man auch sieht, wie abgerutscht Deutschland ist im Preis/Volumenvergleich mit allen anderen Ländern in Europa.

Das Argument, das muss man einfach immer öfter bringen.

Dann hilft einem einfach auch die Tatsache, daß es immer mehr Tarife rund um Deutschland gibt, die um Welten billiger sind, die viel mehr Volumen anbieten.

Und wenn immer mehr Leute aus Deutschland dann vielleicht auch mit zwei, drei SIM-Karten aus dem Ausland operieren, kann sein, daß man immer noch billiger aussteigt.

Das Schöne ist, daß das dann auch den heimischen Netzbetreibern auf der Tasche liegt.

Die kriegen immer noch diese Vorleistungsentgelte dann - ja stimmt.

Sie verlieren die Kunden, sie kriegen aber von den ausländischen Providern Geld.

Aber es braucht hier einfach mehr Druck, daß es eine europäische Angleichung gibt.

Ich glaube, das Argument muss man einfach immer wieder machen.

Und wenn uns im Roaming am Ende hilft, irgendwie mehr neutrales Internet für alle zu haben - auch für Deutschland - dann ist es gut.

Netzneutralitäts-Meßtool

Tim Pritlove

Gut, kommen wir zu unserem letzten Punkt.

Bezieht sich auch noch mal auf die Netzneutralität.

Ist noch gar nicht unser letzter Punkt.

Thomas Lohninger

Ich will nur kurz auch wieder was positives verlautbaren.

Tim Pritlove

Das ist gut, du weißt ja unsere Hörer sind ja ohnehin immer schon kräftig gestresst von all den schlechten Nachrichten.

Da muss man da immer mal wieder auch ein kleines Uplifting-Element einbauen.

Thomas Lohninger

Das ist vor allem etwas glaube ich für die Nerds, vor allem für die Netzwerktechniker/innen.

Wir haben dieses EU-Gesetz gemacht, dadadada Netzneutralität gibt's jetzt.

Dann haben wir irgendwie diese Regulierung gemacht auf BEREC-Ebene, jetzt haben wir schöne Netzneutralität.

Die muss man aber auch umsetzen.

Wir reden jetzt viel über Zero-Rating.

Es gibt aber auch technische Diskriminierung.

Provider können ja auch, wie wird das früher ganz oft hatten, einzelne Dienste blockieren, verlangsamen oder beschleunigen.

Die sogenannte technische Diskriminierung.

Damit man da drauf kommt, braucht man Daten und Messsoftware, und da gibt's jetzt eine positive Entwicklung.

Wer heute irgendwie merkt: dieser eine Dienst ist immer langsam.

Das Skype ruckelt, WhatsApp geht gar nicht in meinem Mobilfunkvertrag.

Diese ganzen Phänomene, oder auch das z.B. Bittorrent gedrosselt wird.

Da gibt es jetzt eben auch eine gute rechtliche Handhabe dagegen in der neuen EU-Verordnung.

Nur muss man da drauf kommen, man muss technisch messen können, daß das eigene Internet zu eben verlangsamt ist.

Daß es einzelne Dienste gibt, die schlecht funktionieren.

Und eben vielleicht auch, daß man gar nicht die Bandbreite bekommen, für die man eigentlich bezahlt.

Für all diese Fragen braucht man Messsoftware.

In Deutschland gibt es da die Breitbandmessung der Bundesnetzagentur.

Die ist meiner Meinung nach desaströs schlecht und so ziemlich eines der schlechtesten Messtools, die es so gibt.

Es gibt international bessere Software von Measurement Lab und auch von Netztest der RTR.

Und jetzt gibt es eben auch europaweit ein Projekt für die Erstellung von Messsoftware.

Das ist was, wo wir uns auch im Hintergrund ganz viel eingebracht haben, wo es auch zwei schriftliche Stellungnahmen von uns gibt.

Weil: Wie misst man das Internet?

Man kann da irgendwie eine Black Box hinstellen, wo ich dann auf den Knopf klicke, und dann habe ich eine Geschwindigkeit die am Ende ausgegeben wird.

Oder, ich mache das alles schön Open Source und Open Data und modular.

Und BEREC, die europäischen Regulierungsbehörden, haben sich jetzt für zweiteres entschieden.

Und haben die Spezifizierung herausgegeben, die sehr stark unserer Forderung entspricht, der Zivilgesellschaft entspricht.

Nämlich, daß man wirklich so ein Open-Source-Messsystem in Europa baut.

Wo ich die zentrale Meßinfrastruktur habe, wo es einzelne Tests gibt, die geschrieben werden.

Daß dann wirklich die Kunden, die Nutzer, die Möglichkeit bekommen, ihren Internetanschluss von dem offiziellen Tool zu messen.

Und das ganze mißt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch ob gegen einzelne Dienste diskriminiert wird.

All das fließt in einen europaweiten Open Data-Pool, der offen zur Verfügung steht.

Das heißt, die Interpretation dieser ganzen Messergebnisse liegt nicht bei den Regulierungsbehörden.

Das heißt, auch unabhängige Wissenschaftler der Zivilgesellschaft können diese Daten analysieren.

Das heißt, ein Internetprovider, der auf einmal einzelne Dienste diskriminiert hat immer das Damoklesschwert über den Kopf, daß es Messdaten gibt, die diese Terminierung am Ende belegen können.

Das ist so ein bissl auch diese alte Vision des Wetterberichts fürs Internet.

Da soll auch Geld in die Hand genommen werden von der EU-Kommission so ein System zu bauen.

Aber die Spezifikation, die da er öffentlich wurden letzte Woche, die wir auch verlinken, die sind sehr positiv und deswegen so ein kleines positives Ding noch am Rande zu dem Thema.

Tim Pritlove

Genau, verlinken wir in den Shownotes, press release und ich glauben ein technisches Dokument auch, was das in etwa beschreibt.

Thomas Lohninger

Das beschreibt den Tinder.

Das ist irgendwie so die technische Seite.

Ich verlinke noch irgendwie so die Konsultation und Inputs dazu vorher an den technischen Details.

Wer sich mit diesem Thema Messungen von Netzneutralitäten von Netzwerken generell beschäftigt, der kann da wirklich ein Blick drauf werfen.

Wenn es da Meinungen gibt, freuen wir uns auch immer auf einen technischen Austausch.

Tim Pritlove

Schön.

So, und dann war noch was mit Memen.

Save The Meme

Thomas Lohninger

Das ist so das Thema, was ich hier immer mit reinbringe, auch wenn ich überhaupt kein Urheberrechtsexperte bin.

Es gibt die Hinterlassenschaft von Günther Oettinger.

Der hat uns ja ein Urheberrechtsgesetz hinterlassen, daß so ziemlich das schlimmste ist, was man sich vorstellen kann.

Und da drin enthalten sind auch Uploadfilter.

Also eine europaweite Zensurinfrastruktur, die hier gebaut werden soll, um Urheberrechtsverstöße zu unterbinden.

Das kann man sich so vorstellen:

Es gibt dann ein oder zwei große Anbieter von solchen Uploadfiltern in Europa.

Und auf jedem Wikipedia-Eintrag, auf jeder E-Learningplattform, auf jedem Preisvergleichsportal, wo ich Fotos hochlade, werden dann irgendwie meine Bilder, meine Musik und meine Videos gegen diese Uploadfilter getestet, ob da ja auch keine Urheberrechtsverletzung drin ist.

Und so eine globale Zensurinfrastruktur soll in Europa Gesetz werden.

Die relevante Abstimmung im JURI-Ausschuss des Europaparlaments ist für November angesetzt.

Es ist dringend notwendig, daß man sich da einbringt.

Wir verlinken die relevanten Kampagnen wo man das tun kann:

Save the Meme und Change Copyright sind die zwei Pole Positions da.

Es gibt ganz viele Kampagnen, wir verlinken alles was man braucht um sich zu informieren und aktiv zu werden.

Wie gesagt, das ist nicht mein Kerngebiet, ich bin ja nicht Experte - aber ich verstehe genug um zu sehen, daß das wirklich so das worst-case-Gesetz wäre was auf EU-Ebene durchkommen könnte.

Da aktiv zu werden wäre auf jeden Fall hilfreich.

Julia Reda ist da irgendwie die Helden, die sich im Europaparlament für uns einsetzt

Man müsste da wirklich noch bei den Abgeordneten ihnen ins Gewissen reden.

Die Verhandlungen laufen jetzt gerade zu diesem Gesetz, und wir müssen schauen, daß wir da diese Uploadfilter noch gestrichen bekommen.

Ansonsten haben wir bald so eine Infrastruktur wie in Russland oder in China.

Das ist auch immer für die Wikipedia sehr hart.

Die wurden nur von diesen zwei Ländern gefragt, ob sie solche Upload Filter einbauen wollen.

Sie haben es in beiden Fällen abgelehnt, und jetzt kommt Europa mit einem Gesetz daher, das genau das verlangt.

Das ist so die Tragweite von diesem Gesetz, und deswegen wär es wirklich wichtig, daß sich da netzpolitisch interessierte Menschen noch einbringen.

Termine

Tim Pritlove

Seufz.

Ich mache jetzt mal keine Musik.

Wir haben noch einen Termin der euch betrifft, haben wir ja auch schon mal erwähnt.

Kann man noch mal erwähnen, weil nächste Woche die Privacy Week findet statt.

Bist du da auch engagiert und Teil davon?

Ich geh mal schwer davon aus.

Thomas Lohninger

Ja, wir sind da auch vertreten.

Es gibt ein Programm.

Es ist so das größte netzpolitische Event in Österreich, und wer in Wien ist nächste Woche - die Woche vom 23. Oktober - der kann da mal vorbeischauen im Volkskundemuseum.

privacyweek.at

Tim Pritlove

Für mich wird es mal wieder schwierig, ich habe erneut meine eigene Veranstaltung.

Vom Zeitrahmen her, vielleicht bekomm da noch einen Tag irgendwo rausgequetscht.

Sieht aber gerade nicht so danach aus.

Die Subscribe, falls es jemanden noch interessiert, der noch am Podcastgeschehen Interesse hat - es ja hier durchaus auch noch ein Randaspekt dieser Sendung - dann gibt's da das entsprechende Angebot noch in München.

Noch gibt's Karten.

Thomas Lohninger

Wer auf den Datenspuren in Dresden ist, oder auf dem Mozfest in London - je nachdem wann diese Sendung erscheint, und ihr seht mich, dann sprich mich doch an.

Ich freue mich auch immer wenn ich Hörerinnen und Hörer kennenlerne.

Tim Pritlove

Datenspuren ist jetzt dieses Wochenende 21.-22. Oktober

Privacy week ist..

Thomas Lohninger

23. die ganze Woche bis 29.

Tim Pritlove

Und was hattest du eben gerade noch erwähnt?

Thomas Lohninger

Die Mozfest.

Mozilla hat auch ein Event in London.

Ich weiß nicht, ob wir Hörer in London haben, aber das ist auf jeden Fall auch irgendwie ein sehr lustiges, nerdiges Event, wo es auch stark um Netzneutralität geht.

Da bin ich auch, falls irgendwelche Leute in London sind.

Ich mag diese Stadt sehr, jetzt wo man da noch hinfahren kann.

Das ist auch das nächste Wochenende, also vom 27. bis 29. Oktober in Ravensburg College in London.

Epilog

Tim Pritlove

Alles klar.

Gut, Thomas.

Ich glaube, dann haben wir es.

Thomas Lohninger

Ja

Tim Pritlove

Vielen vielen Dank für die Auskünfte.

Wir bleiben natürlich da am Draht, und schauen was da noch so geht.

Bisher haben wir ja eigentlich auch eine ganze Menge bekämpft bekommen.

Ich glaube die Karten stehen, zumindest was Netzneutralität betrifft, nicht so schlecht weil das alles so ein bisschen nach Auslaufmodell auch aussieht.

Das sind noch so Kämpfe, die hier gefochten werden.

In dem Moment, wo einfach die Bandbreiten sich da anheben und es einfach eine Normalität wird, daß einfach - zumindest für diesen normalen Audio/Videobedarf - einfach genug Netz da ist für alle, dann wird sich diese Verknappung auch nicht weiter durchhalten lassen.

Thomas Lohninger

Das sehe ich genauso.

Ich hoffe auch, daß wir irgendwie --

Netzneutralität ist von allen netzpolitischen Themen das, was man noch am ehesten wirklich lösen kann.

Das ist nicht so komplex, da reden wir nicht von Geheimdiensten und Urheberrechtsindustrie.

Eigentlich, es sind nur Telekomkonzerne.

Und es ist eigentlich ein Verteilungsproblem.

Mit Glas und genügend Kapazität ließe sich das alles lösen.

Ich hoffe auch, daß wir irgendwann nicht mehr über dieses Thema reden müssen.

Tim Pritlove

Ja, das glaube ich übrigens auch.

Jetzt hören wir auf jeden Fall erst mal auf damit.

Ich sag tschüss -

Thomas Lohninger

Ciao ciao.

Tim Pritlove

an alle Hörer, bis bald.